Die Herzogliche Orangerie Gotha, ursprünglich entstanden als eine eigenständige Gartenanlage in der Nachfolge des sogenannten Ordonanzgartens, ist heute wesentlicher Bestandteil des vielteiligen Herzoglichen Parks Gotha, der sich rund um Schloss Friedenstein gestaltet.
Die wesentlichen Phasen der Entstehung und Nutzung der Orangerie sollen in einem Abriss der Geschichte dargestellt werden. Weitergehende Informationen findet man im Führer Herzogliche Orangerie Gotha.
17. Jahrhundert
Die Kultivierung von Pflanzen hat in Gotha eine lange Tradition, die mindestens bis zur Gründung des Herzogtums Sachsen-Gotha im Jahr 1640 zurück reicht. In den Sammlungen von Herzog Ernst I. (1601-1675) wurden schon 1649 Zitronen- und Pomeranzenbäume aufgeführt. Vermutlich überwinterten die Pflanzen in den Gewölben von Schloss Friedenstein. Die Neuanlage des Großen Küchengartens entstand noch unter Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg im Bereich zwischen der heutigen Park-Allee und dem Leinakanal. Ab 1657 wurde im Küchengarten, dem Nutz- und Zehrgarten, südlich des Schlosses ein Pomeranzenhaus gebaut. Im Großen Küchengarten wurden in Kübeln Zitrusgewächse gezogen. Im Süden befand sich mit dem Pomeranzenhaus auch das Wohnhaus des Gärtners. Der Große Küchengarten existierte bis 1864.
Durch die Errichtung weiterer Pflanzenhäuser unter Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1646-1691)
konnte die Pflanzensammlung erweitert werden. Neben Pomeranzen wurden auch Zitronen-, Lorbeer-, Feigen- und Granatapfelbäume, Oleander und andere exotische Gehölze im Bestand geführt. Im Sommer wurde ein Teil der Pflanzen in den Lustgärten am Schloss aufgestellt.
Im Jahre 1695 veranlasste Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676-1732) die Anlage eines neuen Gartens östlich des Schlosses vor dem Siebleber Tor. Verantwortlich dafür war der Gothaer Oberbaudirektor Wolf Christoph Zorn von Plobsheim (1665-1721). Es wurden hölzerne Gebäude zur Überwinterung der Orangeriepflanzen aus dem Küchengarten errichtet. Später kamen, vermutlich auf Veranlassung der Herzogin Magdalena Augusta (1679-1740), weitere Glashäuser und ein großes Gewächshaus hinzu. Weil sich dieser Garten hinter dem
„Ordonanzhaus“ befand, bürgerte sich der Name „Ordonanzgarten“ ein. Hier wurden jetzt ganzjährig die meisten Orangeriepflanzen der Sammlung untergebracht. Der Zukauf von Pflanzen ließ den Bestand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf über 1200 Pflanzen anwachsen.
18. Jahrhundert
Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1699-1772) bestellte mit Wilhelm Ludwig Seitz (1687-1761) einen neuen Obergärtner für die Leitung der Gärten und der Orangerie. Durch ihn erfuhr das Areal gestalterisch eine Aufwertung. 1734 wurden das schmiedeeiserne Portal und das Zaungitter an der Straßenseite errichtet. Um die wertvolle Orangeriesammlung zu präsentieren, fehlten Aufstellungs- und Überwinterungsmöglichkeiten. Dies bestärkte Friedrich III. in seinem Beschluss, eine Neugestaltung der Orangerie am gleichen Ort vorzunehmen.
Den Auftrag zur Umgestaltung des Ordonanzgarten in einen „Orangengarten nach französischem Vorbild“ erhielt der am Weimarer Hof tätige
Landesoberbaudirektor Gottfried Heinrich Krohne (1703-1756) im Jahre 1747 vom Herzog und der Herzoglichen Kammer. Dabei sollte auf Wunsch des Herzogs die gesamte Neuanlage in Symmetrie zu Schloss Friedrichsthal etwas gedreht werden. Der erste Entwurf sah eine einheitliche, symmetrische Gesamtanlage in Teatroform mit zwei großen Orangenhäusern und benachbarten Treibhäusern auf der Nord- und Südseite vor. Das Ensemble richtete er perspektivisch so auf das Schloss Friedrichsthal aus, dass die Gebäude der Orangerie wie eine Verlängerung der Seitenflügel des Schlosses wirken und eine architektonisch wie optisch ansprechende Verbindung zum oberhalb gelegenen Schlosspark und Schloss Friedenstein bilden.
Zwischen 1747 und 1775 wurden die vier großen Pflanzhäuser in der Herzoglichen Orangerie Gotha gebaut. Erst nach Fertigstellung riss man die verbliebenen Gebäude aus dem Ordonanzgarten ab. Noch vor dem Tod von Herzog Friedrich III. im März 1772 übernahm sein Sohn Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745-1804) als Erbprinz die
Vorbereitungen für die Anlage eines landschaftlichen Gartens südlich von Schloss Friedenstein. Die Gestaltung erfolgte im Sinne der Aufklärung und des neuen Natur- und Freiheitsideals. Das Orangerieprojekt seines Vaters ließ er in vereinfachter, der Zeit angepasster Form vollenden.
Auf Anweisung des Herzogs wurden 1775 die reichen plastischen Fassadenverzierungen am Lorbeer- und am Orangenhaus entfernt. Die beiden großen Kalthäuser erhielten dadurch ein wesentlich schlichteres Aussehen, das sich bis heute erhalten hat. Nur die nach der Chinamode geschwungenen Dachformen erinnern noch an die spätbarocke Überschwänglichkeit.
Lorbeerhaus
Als erstes Gebäude wurde zwischen 1748 bis 1752 das Lorbeerhaus errichtet. Das ursprünglich als „Laurierhaus“ (laurus lat. Lorbeer) bezeichnete Gebäude zählt zu den bedeutenden Bauten des Barockbaumeisters Gottfried Heinrich Krohne.
Die Konzeption für dieses Gebäude sah die Nutzung für festliche Veranstaltungen im Sommer sowie die repräsentative Aufstellung der Orangeriepflanzen im Winter vor. Der im Stil des Rokoko errichtete Bau gliedert sich in drei Pavillons, die durch Zwischentrakte (sogenannte „Apartments“) verbunden und im Innern als Enfilade gestaltet sind. Der Rohbau wurde 1750 fertiggestellt und mit einem geschieferten, chinois geschwungenem Mansardendach bedeckt.
Die Stuckateure Pietro Augustini und H. Güldener sorgten für die
plastische Ausschmückung des Gebäudes nach den Entwürfen Krohnes.
1751 wurde Friedrich Joachim Stengel, neben der Umgestaltung der Räume der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg im Corps de Logis des Schlosses Friedenstein auch die Oberbauleitung der neuen Orangerie Gotha übertragen, da sein Vorgänger auf diesem Posten, der Baumeister Gottfried Heinrich Krohne, am gothaischen Hof in Ungnade gefallen war. Stengel leitete den weiteren Ausbau des von Krohne begonnenen „Laurierhauses“ der Orangerie, bat jedoch schon im April 1752 um seine Entlassung aus gothaischen Diensten.
Die Wände und Decken wurden farbig gefasst und teilweise vergoldet. Im Mittelsaal verlegte man Platten aus schwarz-weißem Alabaster und die Seitenflügel wurden vermutlich mit Sandstein-platten belegt. Die Räume wurden durch sechs Pyramidenöfen beheizt, konnten aber wegen der großen Fenster in der Nord- und Südfassade die Pflanzen im Winter nicht ausreichend und gleichmäßig mit Wärme versorgen.
Bereits Ende des 18. Jahrhunderts entfernte man auf Wunsch von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1818-1893) den aufwendigen Fassadenschmuck und Teile der Innenausstattung.
Bis in die 1920er Jahre wurde das Lorbeerhaus als Lager und Überwinterungshaus genutzt.
Orangenhaus
Das auf der Nordseite gelegene Orangenhaus geht ebenfalls auf Entwürfe Krohnes zurück.
1756 Beauftragte Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg den Krohne-Schüler Johann David Weidner (1721-1784) mit der Ausführung des Baus. Der Beginn verzögerte sich wegen des Siebenjährigen Krieges bis 1766. Äußerlich gleicht das Gebäude dem Lorbeerhaus, hat aber im Gegensatz zu diesem, wie für Orangeriebauten üblich, eine massive und weitgehend geschlossene Nordseite mit Treppenhaus und Erschließungsgang. Aus diesem Grund gab es im Orangenhaus weniger Probleme mit der Temperierung und das Gebäude eignete sich besser für die Überwinterung der wertvollen Zitruspflanzen.
Treibhäuser
Baugleich zum bereits 1748 unter Krohne fertiggestellten Südlichen Treibhauses wurde 1758 durch Johann David Weidner das Nördliche Treibhaus begonnen.
Es wurde an der Symmetrieachse des Gartens gespiegelt, damit die Fensterfront nach Süden zeigt. In beiden Fällen handelt es sich um eine Fachwerkkonstruktion mit einer großen, schräg gestellten Glasfassade. Dies ermöglicht in den Wintermonaten viel Licht und Wärme für die eingestellten Pflanzen. Um das Geländegefälle optisch auszugleichen, setzte man auf den hangabwärts befindlichen Seitenpavillon ein höheres Pagodendach. Die Treibhäuser dienten nicht nur zur Über-winterung sondern auch der Anzucht und Treiberei von Pflanzen.
Barocker Orangeriegarten
Bis 1774 wurde der Orangeriegarten zwischen den Gebäuden eingeebnet und als Orangerieparterre in vereinfachter Form vollendet. Um ein zentrales Fontänenbecken aus dem 17. Jahrhundert wurden schlichte Rasenstücke gruppiert.
Zwei weitere Rasenspiegel waren an der Hauptachse vom Schloss Friedrichsthal zum Schloss Friedenstein zwischen den beiden Treibhäusern angeordnet. Neben einem Brunnenbecken und zwei spätbarocken Sandsteinvasen gab es vermutlich keine weiteren Beete oder Skulpturen. Die Orangeriepflanzen wurden im Sommer auf den Plätzen und Wegen aufgestellt. Zum Ende des 18. Jahrhunderts umfasste der Bestand fast 3000 Orangeriepflanzen, davon etwa 1000 größere Stämme in Kübeln.
Zur Friedrichstraße schließt der Orangeriegarten mit dem prachtvollen schmiedeeisernen Eingangsportal und einem Gitterzaun ab. Diese sind schon 1734 für den Ordonanzgarten entstanden und später mit Veränderungen in die Orangerieanlage integriert.
Wenn auch die ursprünglichen Pläne zur Gestaltung des Orangerieparterres nur stark vereinfacht ausgeführt wurden, war die Gothaer Orangerie eine der größten und schönsten Anlagen, nicht zuletzt wegen des umfangreichen Pflanzenbestandes, im deutschen Raum.
19. Jahrhundert
Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Orangeriegarten entsprechend des Zeitgeschmackes.
Der Bestand an Kübelpflanzen wurde reduziert und Blumenrabatten angelegt.
Etwa 1830 erfolgte auf Anordnung von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha die ersten Blumenbeete mit Begonien, Fuchsien, Pelargonien und Rosen.1870 kamen hunderte Blattpflanzen in die Beete und es gab ein umfangreiches Sortiment von Topfpflanzen. Der Bestand an Pflanzen in Kübeln ging auf 380 Pflanzen zurück, während die Zahl der Topfpflanzen auf 8528 stieg.
Neben der Ausschmückung mit Blumenbeeten änderte sich auch die Ausstattung mit Kunstwerken und Skulpturen. Bis heute noch erhalten ist der Marmorspringbrunnen von 1868 und die barocken Sandsteinvasen die um 1890 an den Rampen und an den Eingängen der Kalthäuser aufgestellt wurden.
Ab 1827 gestatte man der Bevölkerung den herzoglichen Park und den Orangeriegarten an Feiertagen zu besuchen.
Die im Lorbeerhaus und Orangenhaus befindlichen Pyramidenöfen erschwerten die Temperierung der Häuser sehr. Aus diesem Grund wurden 1856 die Öfen im Orangenhaus durch eine Hypokausten-Kanal-Heizung ersetzt.
20. Jahrhundert
Nach 1900 wurde das Orangerieparterre umfassend umgestaltet. Besonders auffällig war die Verbreiterung der Mittelachse im westlichen Teil des Parterres. Nach dem Rücktritt des letzten regierenden Herzogs Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha (1884-1954) im Jahr 1918, erfolgten im Orangeriegarten vermehrt städtische Veranstaltungen, wie zum Beispiel 1930 die „Deutsche Rosenschau“.
Bis in die 1920er Jahre nutzte man das Lorbeerhaus als Lager und Überwinterungshaus. Im Orangenhaus wurde die Zitruskultivierung aufgegeben. Auch das Nördliche Treibhaus nutzte man ab Ende der 1920er Jahre für andere Zwecke. Nach einer fast 300-jährigen Entwicklung ging der Bestand der Orangeriepflanzen drastisch zurück. Die letzten Kübelpflanzen verschwanden Anfang der 1940er Jahre aus der Orangerie.
Bei einem Luftangriff am 24. Februar 1944 wurde die Orangerie von zwei Luftminen getroffen. Während die erste in der Nähe des Musikpavillons unterhalb der Balustrade einschlug, traf die zweite beinahe direkt das südliche Treibhaus, dessen Mittelteil schwer zerstört wurde. Im benachbarten „Lorbeerhaus“ und in den dahinter liegenden Gewächshäusern gingen fast alle Scheiben zu Bruch. Im Jahr 1955 brach man das schwer beschädigte südliche Treibhaus ab. Ein bereits projektierter Neubau wurde nie realisiert.
Nach dem Krieg wurde die Nutzung des Orangerieareals als kulturelle Einrichtung ausgebaut. Im Orangenhaus richtete man 1950/51 eine Bibliothek ein und im Nördlichen Treibhaus 1953 eine Kinder- und Jugendbibliothek. Auf dem Areal des abgerissenen Südlichen Treibhauses wurden 1957 ein Kesselhaus und ein Kohlebunker errichtet.
Das Lorbeerhaus beherbergte von 1956 bis 1988 das Restaurant „Orangerie-Café“. Bei diesem Umbau ging die restliche historische Innenausstattung verloren, einzig die Stuckrosette im Mittelsaal blieb erhalten.2007 begannen nach fast zwei Jahrzehnten Leerstand die Restaurierung der Fassade und des westlichen Gebäudeteils. Seitdem überwintern die Orangeriepflanzen wieder im Lorbeerhaus.
Das Nördliche Treibhaus wurde 2004 provisorisch in einen Zustand versetzt, um wieder Pflanzen, insbesondere Ananas und Kamelien, kultivieren zu können.
Seit dem Auszug der Bibliothek im Jahr 2014 aus dem Orangenhaus sind bis zur vollständigen Sanierung des Gebäudes Veranstaltungen der „Orangerie-Freunde“ möglich.
Bereits ab 1995 gestaltete man das Orangerieparterre unter fachlicher Betreuung des Thüringischen Landesamtes für Denkmalschutz in den Zustand von 1920 um. Blumenbeete in den Rasenflächen wurden auf der Grundlage von historischen Quellen neu angelegt und bepflanzt.
Mit Hilfe des 2006 gegründeten Fördervereins „Orangerie-Freunde“ Gotha e.V. konnten in den vergangenen Jahren viele Projekte zur Förderung der Orangeriekultur in Gotha realisiert werden. Dies betrifft unter anderem die Forcierung von Baumaßnahmen, die Spende von Gewächskästen, die Beschaffung von Pomeranzenbäumen und die Errichtung eines neuen Kamelienhauses hinter dem Nördlichen Treibhaus.
In der Herzoglichen Orangerie Gotha wurde am 3. April 2022 das neu errichtete Kamelienhaus eröffnet. Das rund 260.000 Euro teure Gebäude wird vollständig durch Spenden finanziert.
Der umfangreiche Kamelien-Bestand war im Nördlichen Treibhaus untergebracht, dass wegen der Süd-Ausrichtung der Fenster zu warm für die eher Kühle liebenden Pflanzen war. Es bot sich an, die freie Fläche im Schattenwurf des Nördlichen Treibhauses zu nutzen, zumal auf alten Zeichnungen hier schon einmal ein Gebäude stand, vermutlich ein Kamelienhaus zur Versorgung des Hofes mit blühenden Pflanzen in den Winter- und Frühlingsmonaten.
Auszüge aus: Herzogliche Orangerie Gotha – Garten der Goldenen Früchte
Die Chronik der Orangerie von Andreas M. Cramer gibt die zeitlichen Abläufe bezüglich der Orangerie Gotha umfangreich wieder.